Web Scraping ohne Zustimmung des Urhebers – Ein erstes Urteil
- FrontwingAI
- 4. Okt. 2024
- 3 Min. Lesezeit

In unserem Blog-Beitrag Generative AI vs. Urheberrecht vom 05. April (https://www.frontwingai.com/post/generative-ai-vs-urheberrecht) haben wir bereits das Spannungsverhältnis zwischen Urheberrechten und dem Training generativer KI mit urheberrechtlich geschützten Werken thematisiert. Eine wichtige Vorschrift in diesem Zusammenhang ist § 44b Abs. 3 UrhG. Sie gewährt Urheber:innen das Recht, mittels Erklärung eines Nutzungsvorbehalts das Text und Data Mining ihrer Werke mittels sog. „Webcrawler“ zu Trainingszwecken der KI zu verbieten. Text und Data Mining ist die automatisierte Analyse digitaler Werke, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen.
Als erstes Gericht in Deutschland hat sich das Landgericht Hamburg in einem Urteil vom letzten Freitag mit der Frage auseinandergesetzt, ob durch Webcrawling eines Fotos trotz eines zuvor erklärten Nutzungsvorbehalts gegen die Rechte des Urhebers verstoßen wurde.
I. Hintergrund
Was war geschehen? Ein Fotograf hat einen Verein verklagt, weil dieser sein Foto durch einen Webcrawler in einer Datenbank gespeichert hat, welche wiederum dem Training von generativer KI (z.B. dem Bildgenerator Stable Diffusion) dienen sollte. Auf der Webseite, von der das Foto durch den Webcrawler heruntergeladen wurde, fand sich ein eindeutiger Nutzungsvorbehalt in Textform, der ein solches automatisiertes Herunterladen durch einen Webcrawler o.Ä. untersagte.
Im Fokus der Entscheidung stand zum einen der bereits angesprochene § 44b UrhG. Die Norm erlaubt zwar grundsätzlich das Text und Data Mining, verbietet es aber in den für online zugängliche Werke, wenn deren Urheber:innen sich das Mining in maschinenlesbarer Form vorbehalten haben.
Zum anderen ging es im Kern um § 60d UrhG, der Text und Data Mining – auch im Falle eines wirksamen Nutzungsvorbehalts – für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung gestattet. Denn der beklagte Verein argumentierte, dass er ausschließlich zum Zwecke der Forschung tätig sei.
II. Entscheidung und obiter dictum
Das Landgericht Hamburg wies die Klage des Fotografen ab. Der Grund dafür ist kurz erklärt und der dogmatisch eher weniger interessante Teil des Urteils: Das Text und Data Mining sei zu Zwecken der wissenschaftlichen Forschung erfolgt und deshalb von der Schrankenregelung des § 60d UrhG gedeckt.
Das Landgericht nutzte jedoch die Gelegenheit, sich in dem Urteil in einem ausführlichen obiter dictum mit dem Thema auseinanderzusetzen, ob der erklärte Nutzungsvorbehalt dem automatisierten Herunterladen des Fotos durch den Webcrawler entgegengestanden hätte. Dabei ging es insbesondere um die in der Literatur sehr umstrittene Frage, ob der online erklärte Nutzungsvorbehalt ausreichend maschinenlesbar im Sinne des § 44b Abs. 3 UrhG war, um eine automatische Erfassung durch Webcrawler zu ermöglichen.
Von einigen Stimmen wird bisher die Ansicht vertreten, dass ein Nutzungsvorbehalt in natürlich Sprache, wie er vorliegend auf der Webseite erklärt wurde, nicht den Anforderungen an die Maschinenlesbarkeit gerecht wird. Der Nutzungsvorbehalt müsse vielmehr technisch codiert und durch einen Webcrawler maschinell ausführbar sein.
Das Gericht präferierte jedoch eine weite Auslegung des Begriffes und beruft sich unter anderem auf die Erwägungen des AI Acts, genau gesagt Art. 53 Abs. 1 c) AI Act. Danach müssen Anbieter von KI-Modellen (damit sind insb. große LLMs mit allgemeinem Verwendungszweck wie ChatGPT & Co. gemeint) eine Strategie zur Ermittlung und Einhaltung eines Nutzungsvorbehalts gem. § 44b Abs. 3 UrhG „auch durch modernste Technologien“ auf den Weg bringen. Zu diesen Technologien gehören heutzutage KI-Anwendungen, die in natürlicher Sprache geschriebene Texte inhaltlich erfassen können. Moderne KI-Anwendungen sind für das Erkennen eines Nutzungsvorbehalts also gerade nicht mehr auf technisch speziell codierte Befehle angewiesen.
III. Fazit
Das obiter dictum des Landgerichts Hamburg greift u.a. die Vorgaben des europäischen Gesetzgebers im AI Act auf, um eine weite Auslegung des Begriffes der „Maschinenlesbarkeit“ des Nutzungsvorbehalts gegen Text und Data Mining zu begründen. Damit bezieht es als – soweit ersichtlich – erstes Gericht Position zu diesem hoch umstrittenen Thema.
Für Inhaber:innen von Urheberrechten ist dies zunächst eine gute Nachricht, da man sich bisher nicht einig darüber ist, ob ein Nutzungsvorbehalt in einem bestimmten Format erklärt werden muss und wenn ja in welchem. Folgt man dem obiter dictum des Landgerichts, so könnte der Nutzungsvorbehalt schlicht in gewöhnlicher Textform auf einer Webseite erklärt werden.
Dennoch stellt sich für die Rechteinhaber:innen die Frage, ob Rechtsverletzungen durch den Vorbehalt effektiv verhindert werden können und ob sich Klagen angesichts der weiterhin unsicheren Rechtslage lohnen oder die Rechte eher in Kooperation mit den KI-Anbietern monetarisiert werden sollten.
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